Ein weiteres Lesehäppchen für ein heißes Wochenende

„Ist das nicht ein bisschen auffällig?“, fragte Leon skeptisch, als sie fertig waren. „Ich meine, das sieht jetzt so aus, als gäb’s hier etwas zu verheimlichen.“

Samira grinste Leon an. Alissa konnte es nicht ändern – sie mochte es nicht, dass Samira ihren Bruder anlächelte. „So – und zum Abschließen gibt’s das hier!“, sagte Samira und zog erst ein kolossales Schloss aus ihrem Rucksack, dann ein Monster von Schlüssel.

„Wow“, sagte Leon beeindruckt. „Hat dein Vater nur solche Prachtexemplare in seiner Werkstatt?“

„Nicht nur in der Werkstatt“, sagte Göran. „Auch in der Wohnung! Du solltest den Kühlschrank sehen! Damit könntest du halb Mannheim versorgen.“

„Halt mal die Enden, du Spinner“, sagte Samira.

„Und die Badewanne! Die ist so groß wie das Saarland“, sagte Göran, während er die Enden der Kette zusammenhielt, die Samira sorgsam verschloss. Den Schlüssel ließ sie zurück in den Rucksack gleiten, der jetzt ganz schlaff war.

Alissa trat noch einmal an das Tor und wackelte daran. Keine Chance. Die Kette saß bombenfest. Hier kam keiner mehr rein.

„Na dann“, sagte sie. „Willkommen in der Wildnis! Lasst uns einen schönen Platz für die Zelte suchen.“ Sie atmete die Luft tief ein und versuchte sich zu freuen, indem sie nur an das dachte, was vor ihr lag: ein Sommertag mit ihren Freunden. Und, na ja, mit Leon.

 

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Für alle Lesehungrigen und Neugierigen ein weiteres Stück aus dem vierten Kapitel von „Vakuum“

 Aus Naturschutzgründen

(spät brütende Teichrohrsänger und Gelbspötter)

ist die Insel zurzeit gesperrt!

„Teichrohrsänger? Gibt’s die wirklich?“, fragte Samira.

Alissa nickte.

„Sieht echt gut aus. Richtig offiziell“, sagte Göran anerkennend. „Vor allem mit dem Logo vom Naturschutzbund.“

„Hoffentlich ist es respekteinflößend genug“, sagte Alissa, als sie das Plakat mit Kabelbinder an den Gitterstäben befestigte.

„Stimmt“, sagte Samira. „Wie will man sich auch als einsamer Robinson fühlen, während die halbe Stadt zwischen den Zelten herumspaziert, Campingstühle aufstellt und die Picknickkörbe auspackt?“

Alissa zog jetzt das Tor zu und sah auf das Schloss. „Ach, blöd“, sagte sie, „wir hätten irgendwas zum Zusperren mitbringen sollen. Ein paar Neugierige gibt es immer.“

„Ich hoffe, das hier reicht“, sagte Samira, öffnete ihren gigantischen Rucksack und zog etwas heraus, was seinen Umfang erklärte.

Es war eine Kette. Aber nicht irgendeine, nein. Es war ein richtig schweres Eisenteil mit dicken Kettengliedern. Das Ding nahm kein Ende.

„Krass. Wo hast du das denn her?“, fragte Leon. Und nach einer Weile: „Sag mal, wie lang ist das Teil eigentlich?“

„Zwanzig Meter“, sagte Samira, die immer noch nicht beim Ende angelangt war. „Hab ich aus der Werkstatt meines Vaters geklaut. Was Handlicheres gab’s da mal wieder nicht.“

„Zwanzig Meter! Wahnsinn! Damit können wir das Tor ja gleich dreimal komplett umwickeln“, sagte Leon.

„Na ja, Hauptsache, es hält uns die Störenfriede vom Leib, oder? – Hilf mal!“

Gemeinsam zogen sie die Kette durch die Stäbe und wickelten und fädelten und fädelten und wickelten, bis ein riesiger Kettenklumpen vor der Klinke hing.

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Weiter geht es mit der Leseprobe aus dem 4. Kapitel

Alissa schüttelte den Kopf, um das Gesicht loszuwerden, bevor es wieder anfing wie ein wütender, eingesperrter Vogel in ihrem Kopf herumzuschießen. Sie gab einfach Gas. Leon quiekte hinter ihr und klammerte sich fest. Ihre Muskeln versteiften sich sofort. Fass mich nicht an! Leon, der wohl merkte, was sie dachte, ließ auch gleich wieder los und versuchte, sich nur an ihrer Jacke festzuhalten. So, dass sie es kaum spürte. Es störte sie trotzdem. Es störte sie. Störte sie! Sie wäre so gern abgerückt. Ganz weit weg. Aber auf einem Moped war das nicht möglich. Sie spürte einen Druck im Magen, dabei hatte sie noch gar nichts gegessen. Dann fing ihr rechter Arm an zu kribbeln. Nicht darauf achten, sagte sie sich. Fahr einfach. Fahr!

Sie atmete jetzt durch den Mund.

Die Reißinsel war ein Naturschutzgebiet. Eingefasst vom Rhein und einem alten Rheinarm. Um einen Teil der Insel breitete sich der Park aus. Zweihundert Hektar Wald mitten in der Stadt. Angeblich gab es sogar echte Hirsche.

Als sie am Eingang der Insel ankamen, stand das hohe Gittertor weit offen, genau wie sie erwartet hatte. Sie fuhr direkt auf die Insel. Göran und Samira folgten. Es war verboten. Auf der gesamten Insel waren motorisierte Fahrzeuge verboten, aber sie wollten die Mopeds nicht draußen stehen lassen.

Sie hielten einige Meter weiter an und stiegen ab. Leon tauschte natürlich sofort den Helm gegen seinen roten Hut. Die Mopeds schoben sie hinter ein paar Büsche, damit man sie von draußen nicht sah. Alissa hatte die grüne Hülle der Hollywoodschaukel mitgebracht und deckte jetzt die Mopeds damit ab. Perfekt getarnt. Dann gingen sie zurück zum Gittertor.

„Also … ich hab das hier dabei“, sagte sie, holte eine Papierrolle aus ihrem Rucksack und zog sie auseinander. Es war ein Plakat, das sie gestern noch am Computer erstellt hatte.

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Heute kommt ein Lesehäppchen aus dem 4. Kapitel

Antje Wagner: VAKUUM, Bloomsbury, September 2012

Aus der Sicht von Alissa, einer der fünf Hauptfiguren. Die bisherigen Leseproben waren aus der Perspektive von Hannes. Viel Spaß beim Lesen!

(…)

Vogelstang lag im Norden der Stadt, die Reißinsel im Süden, in einem ausgedehnten Waldgebiet. Sie mussten einmal quer durch die Stadt. Alissa fuhr mit Leon vorneweg, Göran folgte und Samira fuhr hinten. Sie war froh, dass Leon nicht versuchte, mit ihr zu reden. Nur wenige Menschen waren unterwegs. Logisch. Es war Samstag, kurz nach sechs. Da schliefen selbst die besonders frühen Jogger noch.

Als sie den Waldpark erreichten und die einsamen Wege entlangknatterten, hätte Alissa gern den Helm abgenommen. Die Sonne ging gerade auf. Sie tastete sich zwischen den Bäumen hervor, noch ganz dünn, leckte über die Borke, dann über die Blätterkronen. Selbst durch den Helm hindurch roch Alissa die Walderde. Weit vor ihnen flitzte ein Eichhörnchen über die Straße. Sein buschiger Schwanz wehte hinter ihm her und hinterließ einen leuchtend orangefarbenen Fleck in ihrem Hirn. Sie lächelte. Und dann passierte es wieder.

Es passierte immer. Jedes Mal, wenn sie etwas Schönes erlebte, musste sie prompt an Nina denken. Und im selben Moment verwandelte sich das Schöne. War plötzlich nicht mehr schön, sondern wie mit Schlamm überzogen. Nina. Shit. Was drängte sie sich ständig dazwischen!

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Ein kleiner Rest aus dem 3. Kapitel

Innerhalb von einer Minute hatte er seinen Rucksack geschnappt, Handy und Notizbuch hineingeworfen und war aus der Wohnung gelaufen.

Er blieb einen Moment lang im Hausflur stehen und lauschte. Die Wohnungstüren waren dünn, man hörte normalerweise jedes Husten, jeden Seufzer im Fernseher, zumindest aber das Hundegebell von der Wohnung gegenüber. Nichts.

Die Neonlampe an der Decke hinterließ ein knisterndes Sirren in der Stille. Es war eine seltsame Stille, eine Stille, die nur Gegenstände ausströmten.

Hannes lief die Treppe nach unten und stieß die Haustür auf.

Morgen geht es dann mit einer anderen Figur und einem anderen Kapitel weiter.

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Hier kommt die dritte Leseprobe – das Wochenend-Lesehäppchen

Die Worte Schwimmbad, Psychopath und Schreie unterstrich Hannes, dabei riss die Spitze des Kugelschreibers das Papier ein. Er hielt inne. Sah auf. Erst beim Wort Schreie war ihm aufgefallen, dass es für Samstagnachmittag ziemlich still war. Die Familie, die über ihnen wohnte, war erstaunlich ruhig. Um diese Zeit tobten die drei Kids eigentlich durch die ganze Wohnung.

Auch Saxophon-Man nebenan war still. Selbst vom Hinterhof war nichts zu hören. Er stand auf, zog sich schnell seine Jeans an und tappte zum Fenster. Als er die Rollläden hochzog, schloss er geblendet die Augen. Die Sonne brüllte vom Himmel. Wahnsinn, die hatten also doch recht gehabt mit dem Wetterbericht! Der Sommer war endlich da.

Im Hinterhof war kein Mensch. Auch das war ungewöhnlich. Vor allem bei diesem Wetter. Keine Kinder, die sich um einen Ball stritten. Niemand, der Wäsche aufhängte und sich ein plärrendes Radio danebengestellt hatte.

Hannes lief zum Schlafzimmer. Immer noch kein Geräusch. War Saxophon-Man vielleicht krank? Er öffnete das Schlafzimmerfenster und sah auf die Straße.

Die Stille war ein Schwall. Sie kam durchs Fenster herein, füllte das Zimmer, umgab ihn wie Dämmmaterial. Er beugte sich weit übers Fensterbrett. Nicht mal ein Auto war zu hören. Was war los?

Eigentlich verwandelte sich die Beilstraße regelmäßig am Wochenende in eine Art italienische Piazza. Was kein Wunder war – es gab einfach sehr viele italienische Familien hier. Aber auch türkische, russische und natürlich deutsche. Der halbe Jungbusch traf sich hier auf der Straße, Klappstühle und Tische wurden auf die Gehwege gestellt, die Grille angeheizt, selbst der Kaffee wurde aus den Fenstern gereicht, und am Abend roch die ganze Straße nach Bratwurst, Steak und Paprika.

Hannes sah nach rechts und nach links. Ein paar Fenster in den gegenüberliegenden Häusern standen offen, aber niemand sah heraus, nirgends waren Fernseh- oder Radiogeräusche zu hören. Keiner schimpfte, keiner lachte, keiner heulte. Nichts. Einfach gar nichts. Nur Zeitungspapier, das leise durch die Straße schleifte, von einem kurzatmigen Windchen angetrieben, das schnell die Lust verlor.

Hier stimmte etwas nicht. Hannes spürte, wie sein Mund trocken wurde. Instinktiv tastete er nach dem Handy in seiner Gesäßtasche, aber als er merkte, dass es Emma war, die er anrufen wollte, steckte er es schnell wieder zurück.

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Hier kommt das zweite Lesehäppchen!

Und plötzlich blitzte der Traum wieder in seinem Kopf auf und er riss die Augen auf. Das war nicht einfach irgendein abgefahrener Traum, das das war eine Idee. Es war die Idee für seinen Horrorroman! Sie stand ihm plötzlich glasklar vor Augen. Und dann fiel ihm auf, dass es genau das gewesen war, was ihn aufgeweckt hatte: diese Idee. Sie hatte in seinem Hirn gehockt, hatte sich offenbar über Nacht als Traum zusammengebraut und hatte angefangen, von innen gegen seine Schläfen zu klopfen. So lange, bis er endlich aufwachte, damit er sie aufschrieb. Er griff nach dem Notizbuch auf dem Nachtschrank. Er war elektrisiert. Er setzte sich im Bett auf, drückte die Kugelschreibermine aus dem Stift, legte kurz Zeigefinger und Daumen an die Nasenwurzel, versuchte sich zu erinnern, und dann schrieb er auf das Cover des Hefts: GRAUEN IM SCHWIMMBAD und darunter: Horrorroman von Hannes Kühlberg. Dann schlug er die erste Seite auf und schrieb stichpunktartig und ohne innezuhalten, weil er Angst hatte, die Erinnerung und den Faden zu verlieren:

–          eine Handvoll Leute (Jugendliche! Wie alt?)

–          Ort: Schwimmbad. Chlorgeruch, blaue Fliesen, Riesenrutsche etc.

–          da ist niemand außer ihnen

–          finden es am Anfang noch lustig, schwimmen, rutschen die Riesenrutsche runter, albern rum

–          plötzlich der Schock: SIE SIND NICHT ALLEIN IM SCHWIMMBAD! (Geräusch? Atmen? Sehen sie irgendwas Verdächtiges?)

–          „Jemand“ ist bei ihnen!! Ein Psychopath! (Wie ist das passiert? – ACHTUNG: Saunabereich – vielleicht hat er sich dort in einer der Saunen versteckt??)

–          aus irgendeinem Grund sehen sie ihn nicht (Dunkelheit? Nein: Nebel!)

–          er greift einen aus der Gruppe an, die anderen hören nur seine Schreie.

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Hier ist sie endlich – die erste Leseprobe aus dem „Feuergriffel“- Buch von Antje Wagner

aus dem 3. Kapitel, Antje Wagner: VAKUUM, Bloomsbury, September 2012

Etwas kratzte an seinem Traum. Kratzte, bis er die Augen aufschlug. Es war hell im Zimmer und es roch muffig. Er hatte vergessen, das Fenster aufzumachen, bevor er den Computer heruntergefahren hatte. Da war es schon Morgen gewesen. Sieben weitere Folgen Lost hintereinander.

Er hatte etwas Beunruhigendes geträumt, etwas höchst Erschreckendes, und es hatte diesmal nichts mit Lost zu tun gehabt. Sonst träumte er jede Nacht von der geheimnisvollen Insel, auf der er durch den Dschungel zog, eine ganze Gruppe anführte, Wildschweine mit dem Messer tötete und eine rätselhafte Luke fand, die ins Erdinnere führte. Diesmal war es etwas völlig anderes gewesen. Die Worte Nebel und Lauft! kam ihm in den Kopf, und das Gefühl, eben noch gerannt zu sein, ballte sich in seinem Körper, in seinen Oberschenkeln. Fast, als wäre er wirklich gerannt. Auch sein Atem ging schnell und sein Herz holperte. Verrückt, wie real Träume sich anfühlen konnten …

Wie spät war es jetzt? Er sah zur Wanduhr.

Nachmittags. 15:07 Uhr.

Echt? Erst kurz nach drei? Er hätte gedacht, es wäre schon später.

Er wollte die Augen wieder schließen. Warten, bis sein Herz sich beruhigte, sein Atem wieder normal floss. An nichts denken. Nicht an Emma und vor allem nicht daran, warum er jeden Abend um halb neun zu diesem verdammten Golfplatz fuhr. Sich vom Regen bis auf die Knochen durchweichen ließ. Warum er auf die verdammten Motorengeräusche lauschte.

Informationen zur Autorin und zum Buch auch unter: http://www.wagnerantje.de/news/

Morgen gibt es ein weiteres Lesehäppchen!

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Neues Buch von Tamara Bach

Tamara Bach war 2007 die erste „Feuergriffel“-Preisträgerin. Sie hat ein neues Jugendbuch veröffentlich. Das Buch „Was vom Sommer übrig ist“ ist im März 2012 bei Carlsen erschienen.

Ein Interview von Ute Wegmann, Deutschlandradio Kultur, mit Tamara Bach kann hier nachgelesen werden:

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/1785108/

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Noch eine Auszeichnung für Antje Wagner

Das Buch „Schattengesicht“ wurde am Sonntag vom österreichischen Sender Ö1 zum „Jugendbuch des Monats Juni“ gewählt. Der Roman, der teilweise in Mannheim spielt, erschien erstmals im September 2010 im Quer Verlag und wurde im April 2012 als Bloomsbury Taschenbuch neu aufgelegt.

Mehr dazu unter:

http://jugendliteratur.net/exlibris/exlibris.html

Herzlichen Glückwunsch!

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